Interview mit Reinhard Ader, Erschaffer des "Sagenbrunnens"

Der 1986 im Ortsmittelpunkt von dem Künstler Reinhard Ader errichtete „Sagenbrunnen“ zeugt von Hoffnung und Trost auch in schlechten Zeiten. Reinhard Ader, Erschaffer des „Sagenbrunnens“ (geboren in Kaiserslautern, wohnhaft in Speyer), der in Dannstadt von 1973 – 1986 ein Atelier mit Ausstellungsraum betrieben hat, erzählt von seiner Faszination für die Sage der „unsichtbaren Orgel“.

Herr Ader, wie und wann begann Ihre Faszination für die Sage um die unsichtbare Orgel?

Reinhard Ader: Bei der Wahl des Themas dieser Brunnenanlage war mir gleich zu Anfang wichtig, dass sich die Bevölkerung Schauernheims mit dem Brunnen identifizieren, aber auch gedanklich auseinandersetzen sollte, zumal Brunnen für eine Stadt, für einen Ort seit jeher Merkmal, Treffpunkt, kommunikatives Erlebnis für Jung und Alt sind. In diesem Zusammenhang sind Geschichten und Sagen über einen Ort von essentieller Bedeutung, da sie nicht nur über Vergangenes berichten, sondern auch in die Zukunft weisen. Bei meiner Ideensuche bin ich auf die Sage von der „Unsichtbaren Orgel“ gestoßen, die über Widrigkeiten berichtet, die der Ort im Laufe seiner Geschichte erfahren musste, aber auch von der Hoffnung, zu bleiben und es sich lohnt, seine Heimat wieder aufzubauen: Vom Geistigen, von Gedanken angetrieben, werden Vorhaben in Realität umgesetzt. Das bedeutet „Fort-Schritt“.

Auf welche Herausforderungen sind Sie bei dem Aufbau des Sagenbrunnens gestoßen?

Reinhard Ader: Mein Konzept war eine „umgehbare keramische Plastik, mit interessanten Ansichten und Teilaspekten, keine „Fliesengestaltung“, sondern angelegt als „bildhauerische“ Arbeit.
So wurde aus einem „unförmigen“ Ton-Berg,  - vergleichbar einem unbehauenen Felsen - , die Gestaltung des Mühlrads, die unsichtbare Orgel, die verschiedenen Sagengestalten, der „unterirdische Gang“ mit Treppe allmählich herausgearbeitet, auch augenzwinkernd der Ochs- und Eselhuf als Hinweis der Verbindung von Dannstadt und Schauernheim.
Die Gestaltung war vollplastisch. So musste der Ton, um brennbar zu sein, langsam trocknen. Damit keine Risse entstehen hatte ich nicht nur eine spezielle Tonmischung hergestellt, sondern auch, in einer Reihe von schwierigen Arbeitsprozessen, die ganze Gestaltung in tragbare bis 30 kg schwere Stücke zerschnitten, wie Hohlblocksteine ausgehöhlt und mehrmals gebrannt. Zudem musste der Brunnen frostsicher und gegen Beschädigungen resistent sein.
Dass Menschen später den Brunnen mit herausgerissenen Pflastersteinen „bearbeitet“, d.h. teilweise beschädigt haben, damit war nicht zu rechnen. Ebenso wenig mit dem Beschädigen der Wasserdüsen.
Solch verantwortungsloses Beschädigen von Kunstwerken verstehe ich nicht – zumal dieser Brunnen von Seiten der Bevölkerung von Anfang an akzeptiert wurde. Dies zeigte sich eindrucksvoll bei der Einweihungsfeier 1986.
Dass sich eine Gruppe von Mitbürgern bereit erklärt hat, die Anlage zu pflegen, lässt mich hoffen, dass der Brunnen, aus einem Material, das Jahrtausende übersteht, den Schauernheimern weiterhin erhalten bleibt. Ein Brunnen wie dieser, der aus Vollkeramik besteht, ist auf jeden Fall eine Seltenheit und Sehenswürdigkeit. Darauf kann die Bevölkerung Schauernheims stolz sein!

Sie haben Ihr künstlerisches Schaffen der seltenen Kunstform der Keramik gewidmet, gehören zu den wenigen Vollkeramikern deutschlandweit und haben an vielen Orten gewirkt. Wie kam es dazu?

Reinhard Ader: Ihre Frage muss ich ein wenig modifizieren und auch korrigieren.
Zunächst habe ich an der Hochschule für Bildende Künste in Kassel studiert und dort 1972 mein erstes Staatsexamen absolviert. Während meines Studiums hat mich neben anderen künstlerischen Techniken die Arbeit mit Ton als einem sehr vielfältig gestaltbaren Material fasziniert - angeregt durch meinen damals international bekannten Lehrer Walter Popp, der bekannt dafür war, keine „Gebrauchskeramik“ zu machen, sondern Keramik zu gestalten, die einen hohen künstlerischen Anspruch hatte.
Da ich auch Kunsterzieher war, musste ich nach meinem Studium einen „akrobatischen Seiltanz“ zwischen Schule und eigener künstlerischer Arbeit vollführen, was oftmals nicht leicht zu bewältigen war.
Die Arbeiten für das Keramikrelief „Kommunikation“ für den Ratssaal des Verwaltungsgebäudes in Dannstadt und für den „Sagenbrunnen“ in Schauernheim – Dank an Frau Hedy Heller, dar damaligen Vorsitzenden des „Kultur- und Heimatkreis Dannstadter Höhe e.V.“ für ihre Unterstützung -  waren meine ersten Auftragsarbeiten und Großprojekte, mit denen ich, was die Keramik betrifft, Neuland betreten habe.
Den „Sagenbrunnen“ in Schauernheim bezeichne ich als mein größtes, umfangreichstes und arbeitsintensivstes Lebenswerk.
Er hat mich sehr viel Kraft und Energie gekostet – und die Einsicht, dass ich neue künstlerische Wege beschreiten musste: Denn in meinen Ideen und Gedanken war ich schon viel weiter, als die oft schwierige keramische Umsetzung mit all den Materialerschwernissen es zugelassen hatte.
So habe ich mich in der Folgezeit ausnahmslos der Malerei gewidmet, mit Themen, die ich in direkter Umsetzung ausführen konnte, habe u.a. den begehrten „Hans-Purrmann-Preis“ der Stadt Speyer erhalten, wie auch eine Reihe von meinen Gemälden in privaten und öffentlichen Sammlungen vertreten sind. Auch wenn ich durch zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland eher als Maler bekannt bin, möchte ich meine Zeit als Keramiker nicht missen und denke gerne daran zurück.
Der Focus der künstlerischen Arbeit liegt seit 1998 in Speyer, im gemeinsamen Atelier mit der Malerin und Ehefrau Margarete Stern.

Im Jahr 1980 haben Sie im Alter von 31 Jahren Kunst am Bau und im Ratssaal der Verbandsgemeindeverwaltung umgesetzt. Was hat Sie zu der Reliefkeramik im Ratssaal inspiriert, die bis heute den Raum prägt?

Reinhard Ader: Der Auftrag ließ mir damals bei der Wahl des Themas freie Hand. Kommunikation erschien mir an diesem Ort als Dreh- und Angelpunkt. So entwickelte ich das gleichnamige Relief aus farbig glasierten Keramikplatten und installierte es 1980 im neuen Ratssaal. Im Laufe der künstlerischen Erarbeitung brachte ich meine eigenen Ideen zum Thema Kommunikation ein, wobei der Ratssaal perspektivisch in der Reliefgestaltung fortgesetzt wird. Lebendig und fruchtbar stelle ich mir die Kommunikationsprozesse im Ratssaal vor, im Spannungsfeld von Konfrontation und Verständigung. 

(28.05.2024)